Die Fugger
für C64

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Mr Creosote:
Firma: The Electric Ballhaus / Bomico
Jahr: 1988
Genre: Strategie
Thema: Geschäftswelt / Multiplayer / Logistik
Sprache: Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 14632
Rezension von Mr Creosote (13.04.2013)
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Durch schnöden Warenhandel ist die Familie Fugger ursprünglich reich geworden, aber allein dadurch würde man sich ihrer heutzutage nicht mehr erinnern: Bekannt wurde sie als Geldgeber des deutschen Hochadels, ihr Einfluss reichte bis zum Kaiser. Nur wenige hundert Jahre später begab es sich dann, dass der blühende Heimcomputermarkt junge Menschen dazu anregte, selbst zu programmieren zu lernen, und selbst Spiele zu schaffen – das Zeitalter der Schlafzimmerentwickler, die sich frei von durch große Firmen diktierten Interessen entfalteten, war angebrochen. Die Parallelen sollten offensichtlich sein…

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Waren treffen aus ganz Mitteleuropa ein

Oder vielleicht gibt es gar keine? Sagen wir einfach mal, dass dieses Spiel selbst, das sich den politischen Aufstieg der Händlerklasse zum Thema nimmt, auch selbst eine interessante Entstehungsgeschichte hat. Ursprünglich kam es im Rahmen einer Vorstellung nicht-professionell entwickelter Spiele in der Zeitschrift ASM an die Öffentlichkeit. Dort wurde es sehr positiv besprochen und nach einigen Monaten der Selbstvermarktung wurde es dann doch noch von einem echten Spieleverlag in eine Verpackung gesteckt und über die üblichen Kanäle verkauft und beworben.

Das Spiel beginnt im Jahr 1500 mit der Geburt Karls aus dem Haus Habsburg. Wie man natürlich im Rückblick weiß, sollte dieser kleine Junge nicht nur deutscher Kaiser, sondern auch gleichzeitig spanischer König werden, wodurch er praktisch einer der ersten Herrscher eines wirklichen Weltreiches wurde. Zu dieser Zeit sind die Spieler (bis zu sechs Teilnehmer können mitmachen) Kleinsthändler. Jedes Jahr (d.h. jede Runde) lassen sie ihre Fuhrwerke Waren aus den Fabriken der verschiedenen Städte in ihre Lager bringen, um sie von dortaus zu verschachern. Wobei natürlich Fingerspitzengefühl angesagt ist, denn die Preise steigen und fallen, wohingegen die Arbeiter unabhängig von diesen Fluktuationen immer bezahlt werden möchten.

Profit zu erwirtschaften ist dabei erstmal recht einfach, doch das eigentliche Spielziel ist es, in Karls Gunst aufzusteigen. Tatsächlich besteht darin auch die einzige wirkliche Herausforderung. Das Wirtschaftssystem ist extremst simpel: Jede Stadt produziert genau eine Ware und je mehr Arbeiter man anheuert, desto mehr wird davon produziert. Ach ja, und mehr produzieren, als man transportieren oder einlagern kann, sollte man vielleicht auch nicht. Und auch kein allzu großes Geheimnis sollte sein, dass man ja auch mit Lagerraum kräftig handeln und so unkompliziert weiteres Geld machen kann.

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Der Hauptsitz

Nun ist es so, dass diese Einfachheit Die Fugger zu einer recht öden Angelegenheit macht, wenn man es alleine spielt. Zwar ergibt das Wirtschaftsmodell Sinn, aber es ist viel zu durchschaubar; es bringt wirklich Null Herausforderung mit sich, und selbst die Zufallsereignisse bringen kaum Aufregung ins Spiel. Die Profite wachsen schnell exponentiell und die Summen, die man an Karl weitergeben muss, um das Spielziel zu erreichen, sind plötzlich gar nicht mehr so furchteinflößend, so dass man mit dem unweigerlichen Spieltod wahrscheinlich gar nicht mehr ins Gehege kommt.

Sitzt jedoch mehr als eine Person vor dem Monitor (oder Fernseher), beginnt das Spiel seine Qualitäten zu zeigen. Denn es adressiert genau die zentrale Frage des Genres, mit der so viele der Konkurrenzspiele sich so schwer tun: Nämlich, inwiefern man tatsächlich mit- oder gegeneinander spielt anstatt nur „gleichzeitig“.

Woraus besteht denn ein Handelsspiel eigentlich? Man kauft billige Waren und verkauft sie woanders wieder zu einem höheren Preis. Ob Jemand anderes parallel das gleiche versucht, ist, auch wenn es angeblich in der gleichen Spielwelt stattfindet, erstmal recht gleichgültig, da es ja auf die eigenen Geschäfte kaum einen Einfluss hat. Man spielt trotz Konkurrenz genauso, wie man es alleine tun würde, und der relative Erfolg (denn meist sind ja alle Spieler in absoluten Maßstäben erfolgreich) wird an Umfang der Profite gemessen, d.h. es werden einfach mal abstrakte Zahlen verglichen.

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Überfall!

Die Fugger bietet dagegen nicht nur ein klar formuliertes Spielziel (wer zuerst die oberste Karl-Stufe erreicht, ist der Sieger), sondern erlaubt auch noch diverse tatsächliche Interaktionen zwischen den Spielern. Einige Spieloptionen sind im Einzelspielermodus sogar gar nicht erst verfügbar. Beispielsweise die ausführlich ausgestalteten Funktionen zum Anheuern von Räuberbanden, um die Fuhrwerke der Konkurrenz zu überfallen (die sich wiederum mit Söldnern verteidigen kann), was in einem simplen Taktikspielchen ausgefochten wird. Ebenso ergeben Bestechungen erst dann richtig Sinn, wenn es denn überhaupt andere Spieler gibt. Und so weiter.

So gesehen ist Die Fugger ein hervorragendes Mehrspielervergnügen, da es ganz auf dem Geist von Wettbewerb und Schadenfreude aufbaut: Seinem Mitbewerber selbst einen entscheidenden Schlag zu versetzen oder ihn einfach nur Pech haben zu sehen kann für einige Belustigung sorgen. Andererseits ist das reine Beobachten der wachsenden Geschäftszahlen eine recht trockene Angelegenheit, insbesondere, da das Spiel einem wirklich keinerlei Routineaufgaben abnimmt; trotz der sehr intuitiv-einfach gehaltenen Steuerung ist dies deshalb wirklich kein empfehlenswertes Spiel ohne Gesellschaft (die Wertung bezieht sich entsprechend auf den Mehrspielermodus, der zweifellos die von den Entwicklern präferierte Spielart ist). Doch immerhin sollte es nicht allzu schwierig sein, Mitspieler zu finden, denn das Spiel ist in eigentlich jeder Hinsicht schnell: schnell zu lernen, schnell zu meistern und auch schnell zu Ende zu bringen. Zusätzliche Übungssitzungen im Einzelspielermodus sind eigentlich gar nicht notwendig. Und völlig unabhängig von den vorhandenen Qualitäten des Spiels ist es ohnehin erfrischend, dass überhaupt mal Jemand versucht hat, dem Wirtschaftsgenre ein bisschen Sinn einzuhauchen. Schon allein dafür verdienen Die Fugger zweifellos Respekt.

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