The Perfect General II
für PC (DOS)

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LostInSpace:Besucherwertung:
5/6
Firma: Quantum Quality Productions
Jahr: 1994
Genre: Strategie
Thema: Brettspiel / Multiplayer / Krieg
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 2859
Rezension von LostInSpace (12.06.2021)
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Das erste von mir ernsthaft gespielte und geliebte Strategiespiel war Dune II – Kampf um Arrakis. Vorher hat mich dieses Genre absolut nicht interessiert. Irgendwelche Kampf-Einheiten virtuell auf einer Landkarte herumschieben, stellte ich mir nie besonders spannend vor. Doch Dune 2 zog mich trotzdem in seinen Bann und hat viele von uns bis heute nicht losgelassen. Eine ganze Lawine an Nachfolgern ergoss sich in den Folgejahren über das Publikum. Diese Klone verloren jedoch bald den Reiz des Neuen. Vielleicht hätte ich damals bei anderen – weniger bekannten – Vertretern des Genres diese frischen Ideen noch gefunden. Auf der Suche nach solchen Perlen betrete ich die berühmten Hexfelder von The Perfect General II.

Das Spiel beginnt mit einem kurzen Intro, in dem 3D-animierte Panzer auf dem Schlachtfeld die Muskeln spielen lassen. Pazifistisch eingestellte Personen werden bereits an dieser Stelle eher abgeschreckt als begeistert. Danach wird der Spieler von einem Militär begrüßt, der mit (englischer) Sprachausgabe die gewinnbringende Strategie bezüglich einer bestimmten Schlacht bekannt gibt.

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Das Briefing

Im Weiteren steht man dann direkt vor der Wahl entweder eine komplette Kampagne oder eine Einzelmission zu spielen. Die vier Kampagnen sind jeweils einem bestimmten historischen Thema gewidmet und in eine Handvoll von unterschiedlichen Szenarien gegliedert. Idealerweise hat man sich aber den Namen der Schlacht im Intro gemerkt und kann die vorgeschlagene Strategie direkt in der entsprechenden Einzelmission ausprobieren.

Dies setzt allerdings voraus, dass man die komplette Spielemechanik schon beherrscht und keine weitere Erklärung benötigt. Offenbar soll das benötigte Wissen vorher dem Handbuch entnommen werden. Ein Tutorial wäre dem Neueinsteiger hier von großem Nutzen gewesen. Ansonsten helfen eine kurze erläuternde Beschreibung und ein Blick auf die Karte bei der Entscheidung für eines der knapp 90 Szenarien.

Dem Spieler wird eine ganze Palette an Kriegsschauplätzen angeboten, die jeweils ganz unterschiedliche Sichtweisen betonen. Man findet beispielsweise historische Bezüge (Stalingrad, Irakkrieg, Vietnamkrieg), besondere strategischen Situationen (Zweifrontenkrieg, Guerillakämpfe) oder den Einfluss des Wetters (Fluss friert während der Schlacht zu, Nebel verhüllt die Sicht).

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Es schneit

Zusätzlich zum vorgegebenen Szenario kommt oft noch ein bestimmtes Ereignis im Verlauf der Mission hinzu. Typischerweise ist dies das Eintreffen von Nachschub, nachdem ein Zwischenziel erreicht wurde.

Neben der geographischen Ausgangslage bestimmt der Spieler anschließend, ob er das Kampffeld als Verteidiger oder Angreifer betreten will. Diese unterschiedliche strategische Grundausrichtung zwischen zwei rivalisierenden Parteien kann den Spielverlauf auch einseitig bevorzugen. Deswegen treten die Gegner standardmäßig zweimal gegeneinander an und wechseln beim zweiten Mal die Positionen. Damit ein Gewinner ermittelt werden kann, errechnet das Spiel automatisch nach Ablauf einer Runde jeweils eine Punktzahl. Der Angreifer hat in den ersten Runden meist wenig Punkte, da sein Angriff noch in der Entwicklung ist und die Städte vom Verteidiger zäh verteidigt werden. Das Halten dieser Gebiete bringt dem Besitzer pro Runde eine Anzahl von Punkten, die sich nach Wichtigkeit der entsprechenden Stadt richtet. Durch fortschreitende Eroberungen erringt der Angreifer im Verlauf der Partie die Chance, die anfänglich hohen Punktreserven des Gegners durch schnelles Agieren immer mehr zu egalisieren und durch möglichst komplette Landeinnahme schließlich einzuholen. In den Optionen kann die Anzahl der Spiel-Runden zu Beginn eingestellt werden. Dadurch ergibt sich bei langer Spielzeit mit vielen Runden ein Vorteil für den Angreifer und bei kurzer Spielzeit für den Verteidiger. Am Ende einer Schlacht erringt der Spieler in Abhängigkeit von seiner Punktzahl einen militärischen Titel. The Perfect General ist der höchste Rang, der fast unmöglich zu erreichen ist. Außerdem werden statistische Auswertungen der Gewinnpunkte im Verlauf der Schlacht angezeigt.

Um eine erfolgreiche Mission zu absolvieren, sollte der Spieler nicht nur die geographische Ausgangslage und die strategische Grundausrichtung im Auge behalten. Entscheidend ist auch die Auswahl der eingesetzten Truppen zu Beginn der Partie. Denn mit ungeeigneten Truppen nützt der beste General nichts. Dazu steht dem Spieler ein missionsabhängiges Budget zur Verfügung und er kann damit Infanterie, Fahrzeuge, Panzer, Artillerie und Flugzeuge kaufen. Eine weitere Unterteilung in leicht, mittel und schwer hat einen entsprechenden Einfluss auf den Preis. Je nach Art unterscheiden sich die Kampfeinheiten in Merkmalen wie Schnelligkeit, Panzerung und Wirksamkeit.

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Truppen hinzufügen

Die Infanterie ist mit Abstand am billigsten und kann zahlenmäßig eine ganze Kompanie bilden. Doch der Gegner kann mit nur einem Panzer die Truppen einfach überrollen. So gesehen bietet der teure Panzer eine hohe Zerstörungskraft. Um das zu verhindern, lassen sich die Bodentruppen mit einer Bazooka ausstatten. Damit werden sie zu wahren Panzerknackern. Auch der Einsatz von Artillerie ist zweischneidig. Denn ohne gute Sichtverhältnisse hat sie nur ein sehr beschränktes Wirkungsfeld. Kommt sie dem Feind zu nahe, gerät sie aber leicht selber unter Beschuss. Um von der Reichweite praktischen Gebrauch machen zu können, sollte man das Gelände sehr gut kennen und besonders Erhöhungen und Hügel gut ausnutzen.

Wichtig für die Fortbewegung bzw. den Transport der Truppen sind auf der Karte vorgegebene Wege, Straßen und Schienen. Denn querfeldein sind besonders die gepanzerten Fahrzeuge extrem schwerfällig. Daher sind exponierte Wegepunkte wie Brücken, Kreuzungen und Waldlichtungen neben den eigentlichen Städten ebenfalls wichtige strategische Ziele. Diese können beispielsweise mit einer günstig positionierten Mobilen Artillerie unter Dauerbeschuss gehalten werden.

Davon unabhängig darf der Spieler auch auf Flugzeuge zurückgreifen und sollte in diesem Fall über eine Landebahn verfügen, zu der sie nach dem Angriff zurückkehren können. Sie sind außerdem besonders teuer, fliegen nur bei sonnigem Wetter und können selber relativ leicht abgeschossen werden. Nett, dass an Flugzeuge gedacht wurde. Ihr Einfluss auf das Ergebnis einer Schlacht ist aber nur marginal. Da hätte ich mir eher Schiffe von der Marine gewünscht.

In diesem Zusammenhang sind auch Bodentruppen erwähnenswert, die als „Ingenieure“ bezeichnet werden. Diese haben bestimmte missionsabhängige Fähigkeiten wie Brücken errichten oder Minen legen. Aber auch diese Besonderheit ist nur eine nette Beigabe und bleibt quasi ohne echte spielerische Wirkung.

Die eingekauften Einheiten werden nun auf dem Spielfeld in einer vorgegebenen Zone platziert und erst jetzt beginnt das eigentliche Gameplay. Ein Spiel besteht aus etwa 20 Runden, die in mehrere Kampfphasen unterteilt sind. Diese bestehen grob gesagt aus dem Festlegen der Ziele für den Artillerie-Beschuss, dem wechselseitigen Feuer der Bodenstreitkräfte und die Erteilung der weiteren Marschrichtung für jedes einzelne Truppenteil.

Dabei wird jede Phase sowohl vom Angreifer als auch vom Verteidiger durchlaufen. Die Züge des Computergegners werden in Echtzeit dargestellt. Die Optionen bieten dafür unterschiedliche Ablauf-Geschwindigkeiten an. Aber Achtung: Auf langsamen PCs führt diese Phase auch bei kurzer Zeitvorgabe zu quälend langen Wartezeiten. Die Fahrzeuge bewegen sich dann nur im Schnecken-Tempo über das Spielfeld. Das Feuern auf eine bewegliche gegnerische Einheit, die während einer solchen Phase in die Schusslinie gerät, erfordert das schnelle Anklicken eines rot aufleuchtenden Feuer-Buttons. Um sich voll auf den strategischen Teil des Spieles zu konzentrieren, kann man mit der Option „Full Kill“ Teilschäden ausschalten und mit „Always Hit“ sogar eine Verfehlung des Ziels grundsätzlich ausschließen. Dann wird dieses Feuer-Button zu einem hundertprozentigen Killer-Button.

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Endlich ein Killer-Button

Nach dem Schusswechsel nimmt nun die Fortbewegung der Armee den eigentlichen Löwenanteil des gesamten Spielgeschehens ein. Denn jedes Truppen-Teil muss einzeln bewegt werden, da nicht mehrere auf einmal markiert werden können. Typischerweise startet man mit ungefähr 50 Einheiten. Diese werden mit 50 Mausklicks aufs Spielfeld gesetzt und nach weiteren 50 Mausklicks sind dann gerade mal die Richtungen für die erste Runde vorgegeben. Das hat meine Geduld bereits sehr strapaziert. Hinzu kommt aber noch, dass nach der Bewegung nicht automatisch das nächstgelegene Fahrzeug vormarkiert ist. Stattdessen springt der Fokus nach einer internen Reihenfolge irgendwo anders hin. Dann heißt es wieder mühsam zurückscrollen, mit einem weiteren Mausklick das gewünschte Gefährt markieren und schluss-endlich die gewünschte neue Position vorgeben. Wohlgemerkt ist dieses Vorgehen der Hauptbestandteil des eigentlichen Gameplays. Aber damit nicht genug. Obendrauf kommt noch ein weiterer Nerventöter: In dem nicht seltenen Fall, dass in der Hektik der Schlacht das Zielfeld bereits von einer anderen Einheit besetzt ist, ertönt ein markerschütternd-quäkender Ton aus dem Lautsprecher. Der auf diese unangenehme Art gemaßregelte Spieler darf dann manuell die Fahrzeuge umrangieren. Dies ist auf den ausschließlich einspurigen Wegen gar nicht so einfach.

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Auf der Straße unterwegs

Zum Glück ist der Sound sonst eher bescheiden. Ab und zu mal ein Mündungsfeuer oder ein Bombadierungsgeräusch. Eine kurze Hintergrundmusik erklingt ohne Loop auf der Menüebene. Die Grafik ist ebenfalls eher bescheiden. Die einzige Animation auf einer Landkarte ist das sich leicht auf und ab bewegende Wasser in Seen oder Flüssen. Die Städte sehen wie ein hässliches Geflecht aus grau-schwarzen Flächen aus. Teilweise ist die Spielebene eher im Comicstil gehalten, während andere Szenarien einen eher realistischen Touch haben. Im Nebel und besonders im Schnee werden die Gebiete aber generell sehr unübersichtlich. Die Bodentruppen sind recht einfallslos nur durch eine Fahne symbolisiert. Zum kargen zweistufigen Zoom kommt oben rechts eine viel zu kleine sehr grobe Übersichtkarte. Der Wunsch nach einem stufenlosen Zoom klingt nach Blasphemie. Gespart wurde auch bei der maximalen Länge des Spielernamens. Mit nur 8 Zeichen sah ich mich leider außer Stande, einen passenden Namen wie Eisenbeißer, Stahlhammer oder Ich-ess-rostige-Nägel-zum-Frühstück zu wählen.

Das zugrundeliegende Prinzip von Angriff und Verteidigung würde ich als die eigentliche Innovation bezeichnen. Der Erfolg des Spiels kam dann mit der Umsetzung dieser Idee für den Wettkampf zwischen menschlichen Kontrahenten. Dazu wurden mehrere technische Umsetzungen integriert: Hot Seat, Nullmodem, Modem und LAN. Und bis heute ist The Perfect General II eines der wenigen Spiele, die über eine aktive Online-Community verfügen. Nachdem die Einstiegshürde überwunden ist, bietet das Spiel eine unglaubliche Fülle an taktische Finessen. Schon eine einzelne der über 80 Landkarten kann gerade im 2-Spieler-Modus bereits eine erschöpfende Spielwiese immer neuer Verwicklungen und Strategien werden. Die Computer-KI hält dabei locker mit und ist nicht erst auf Level 5 bärenstark. Deshalb stellt sich ein Erfolgserlebnis auch auf Level 1 erst bei tieferem Verständnis und einer entsprechenden Prise Glück ein.

Ob der interessierte Spieler dafür das fummelige Mikromanagement und die biedere Aufmachung in Kauf nimmt? Ich für meinen Teil habe nur eine einzige Schlacht als Angreifer gewonnen, die laut Missionsbeschreibung so einfach wie ein Spaziergang im Park ist. Strategisch gesehen war der Sieg tatsächlich einfach und die Hauptaufgabe bestand im endlosen Anklicken der Einheiten.

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Eine Statistik der Gewinnpunkte

Weitere Klickorgien in noch komplizierteren Situationen haben letztendlich aber keinen Reiz auf mich ausgeübt. Dies liegt vor Allem daran, dass die Abstraktionsebene sehr hoch ist und zu wenig echte Action geboten wird. Durch den rundenbasierten Aufbau läuft das Gameplay immer nach dem gleichen Schema ab. Runde für Runde, ganz nach Art eines Brettspiels. Aus dieser Perspektive darf man The Perfect General II seine spielerischen Qualitäten jedoch auf keinen Fall absprechen, die durch die minimalistische Präsentation auch nicht geschmälert werden. Der Vergleich mit Dune 2 fällt jedoch ziemlich krass aus: Während ich an der Konsole den neuesten FIFA-Teil zocke, sitzen die Spieler von The Perfect General II lieber in ihrem Hinterzimmer und verwalten den Verein mit dem Football Manager.

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