Berlin Connection
für PC (DOS)

Mr Creosote:
Firma: Promotion Software GmbH / Berliner Morgenpost
Jahr: 1994
Genre: Adventure
Thema: Humor / Werbespiel
Sprache: Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 19548
Rezension von Mr Creosote (25.10.2014)
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Student Benny hat Ferien, also viel Zeit. Seltsam, mein Studium war irgendwie anders – da war die sogenannte „vorlesungsfreie Zeit“ vollgestopft mit Prüfungen, so dass man praktisch niemals Urlaub machen konnte. Aber Benny studiert wohl irgendetwas anderes. Was stand noch in der Berliner Morgenpost? Ah ja, da hat ein neuer angesagter Club aufgemacht. Also los!

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So besonders angesagt ist der Club bislang doch noch nicht. Es ist gerade mal ein einziger Gast dort. Mora ist neu in Berlin, sie hat weder Wohnung, Geld, noch irgendwelche Bekannten hier. Nochmal, lassen wir es uns auf der Zunge zergehen: Mora ist nach Berlin gekommen ohne jegliche Perspektive, selbst nur ein Plätzchen für die erste Nacht zu haben, und setzt sich einfach mal in einen Nachtclub in der Hoffnung, dass sich schon etwas ergeben wird. Aha. Und das beste: So kommt es auch, denn Benny findet sie geil und bietet natürlich gleich mal sein eigenes Bett an… was allerdings nicht klappt. Doch selbst nach dieser Enttäuschung ist sich Benny nicht zu schade, alles stehen und liegen zu lassen, und von nun an Moras komplettes Leben zu organisieren.

Erster Schritt: Eine Wohnung muss gefunden werden. Was läge da näher, als in der Zeitung nach Anzeigen zu gucken („auf mindestens 50 Seiten“). Schnell ist eine Bleibe in zentraler Lage gefunden und dank Bennys Verhandlungsgeschick auch noch zu einem günstigen Preis. Als Belohnung erklärt sich Mora zu einem Date bereit, allerdings nur, wenn Benny die passenden Eintrittskarten besorgt. Die natürlich bereits ausverkauft sind. Usw. usf.

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Die Ausgangssituation der Geschichte ist somit ziemlich übel und zeugt von einem unterirdischen Menschenbild. Im Laufe der Story wird Benny dann noch zum unbezahlten investigativen Aushilfsreporter für die Morgenpost für eine Mauergeschichte, womit es dann zumindest etwas interessanter, wenn auch kaum weniger clichébeladen wird.

Spielerisch gibt es in etwa das, was man etwa aus Dunkle Schatten gewohnt ist: Es tauchen mehr oder weniger unvermittelt neue Orte auf dem Stadtplan Berlins auf, die man dann einfach mal besucht, und dort ergibt sich dann schon etwas. Was konkret heißt, dass man entweder ein oder zwei Objekte einsackt, die dann prompt zur Überwindung einer Schranke im gleichen Bildschirm benutzt werden, oder aber man spricht einfach so lange mit den ein oder zwei anwesenden Personen, bis es von alleine weitergeht.

Gerade die Dialoge sind dabei etwas detaillierter erwähnenswert, denn es wirkt so, als habe man sich designtechnisch nicht richtig entscheiden können. Einerseits gibt es immer wieder „falsche“ Optionen im Multiple-Choice-Baum, die das jeweilige Gegenüber verärgern und zum Ende der Unterhaltung führen. Andererseits hatte man wohl auch nicht den Mut, diese typischen Dialogrätsel dann zum Anlass zu nehmen, das Spiel gnadenlos und ohne Erfolg zu beenden. D.h. man kann Mora beispielsweise gleich in der ersten Szene mit üblen Machosprüchen (die allesamt eingebaut sind) verärgern so lange man will – nachher findet man doch den richtigen Konversationsast und sie hängt sich an einen dran. Was ihre Persönlichkeit wahlweise nur noch mechanischer oder noch berechnender wirken lässt. Wahrscheinlich, angesichts der generell eher dünnen spielerischen Tiefe, eher ersteres.

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Es geht also praktisch zwangsläufig immer weiter, Sackgassengefahr praktisch nicht vorhanden. Ähnliches gilt für die Objekträtsel. Nicht nur durch die erwähnten rein örtlichen Zusammenhänge sind die Aufgaben meist in Sekunden erledigt. Ebensowenig kann man ernsthaft kritisieren, dass viele Aktionen halbautomatisch ausgeführt werden, wenn man die richtigen Objekte mit sich herumträgt. Nein, die Aktionen sind einfach in ihrer Durchführung offensichtlich – es ist zweifellos gut, den Spieler nicht zu zwingen, erst das Poster an die Wand zu halten und dann kleinschrittig Hammer und Nägel zu benutzen, um es festzumachen, sondern ihn nur die erste Anweisung geben zu lassen und dann den Rest implizit mitzuerledigen! In Frage stellen muss man jedoch, ob man solche Aufgaben wie das Befestigen eines Posters an der Wand mit bereitliegendem Werkzeug ernsthaft als Rätsel bezeichnen kann.

Überhaupt, um beim Stichwort Rätsel zu bleiben, ist Berlin Connection ein Paradebeispiel für Rätseldesign, wie es nicht sein sollte, denn auch die Anlässe jener sind völlig konstruiert. Benny besitzt weder ein Telefon, noch hat er fünfzig Pfennig, mal eben einen Anruf zu tätigen. Nein, da geht er stattdessen zum Postamt, um sich dort unrechtmäßig eine Telefonkarte zu erschleichen und fährt dann zum Brandenburger Tor, weil dort anscheinend die einzige Telefonzelle der Stadt steht! Natürlich lebt das Adventuregenre in gewissem Maße immer davon, an sich einfache Dinge möglichst kompliziert zu machen, aber auf solche Trivialitäten sollte sich das nicht beziehen – sonst wird's albern.

Das große Problem ist bei all dem gar nicht mal, dass das Spiel wirklich abgrundtief schlecht ist. Die Grafik ist nicht toll, geht aber völlig in Ordnung. Die Bedienung funktioniert weitgehend komfortabel. Die Geschichte… na ja, zu verschmerzen. Ist halt ein Werbespiel. Ach ja, der Werbefaktor? Ebenfalls in Ordnung. Nur: Zu einer Zeit, wo jeder andere sein Werbespiel kostenlos rausgab, wollte die Berliner Morgenpost doch tatsächlich Geld für Berlin Connection haben – und verpasste dem Spiel sogar eine Handbuchabfrage als Kopierschutz! Das ist schon ganz schön dreist für ein Spiel, das keinesfalls umfangreicher ist als andere (kostenlose) Werbeadventures und schon gar nicht besser. Im Gegenteil: Dieses Spiel wäre qualitativ so am unteren Rand des Akzeptablen gemessen am Freewarerahmen. Der Geldfaktor muss mit einer Abwertung aus moralischen Gründen bestraft werden!

Kommentare (2) [Kommentar schreiben]

Herr M.:

Berliner Morgenpost

Zitat:
Discos werden leiser! - Neuer Trend in Berliner Szene-Diskotheken?

Zitat:
Geheimgang in Berliner Wohnung entdeckt! - Mieter entdeckt mysteriöses Geheimnis, Vermieter weiß von nichts!

Na das nenn ich mal Qualitätsjournalismus!

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